fahrradfahrer strassenverkehr

Räder im Straßenverkehr – Was dürfen Radfahrer und was nicht?

Mit dem wachsenden Anteil des Radverkehrs in deutschen Städten wird es immer wichtiger, die geltenden Regeln klar zu verstehen – gerade vor dem Hintergrund der StVO‑Novellen 2020 und 2024/25. Viele Verkehrsteilnehmer, aber auch einige NGOs sind sich über Kategorien wie Radwegebenutzungspflicht, Gehweg, Nebeneinanderfahren oder Zebrastreifen nicht sicher – oft halten sich Verkehrsmythen hartnäckig.

Dieser Artikel erläutert ausführlich, unter welchen Umständen Radfahrer bestimmte Wege benutzen müssen oder dürfen, welche Bußgelder drohen und welche neuen Regeln aufgrund der StVO‑Novellen gelten.

1. Radwegebenutzungspflicht – Nur mit blauem Schild!

1.1 Gesetzliche Grundlage

Die zentrale Vorschrift ist § 2 Abs. 4 StVO – darin heißt es:

„Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist.“

Die gängigen blauen Schilder 237, 240 und 241 markieren indifférente Radwege:

  • Zeichen 237: reiner Radweg („Fahrrad auf blauem Grund“)

  • Zeichen 240: kombinierter Geh‑ und Radweg (Fahrrad und Fußgänger gemeinsam)

  • Zeichen 241: getrennter Fuß- und Radweg

Fehlen diese, besteht keine Radwegebenutzungspflicht – man darf stattdessen auch die Fahrbahn nutzen.

1.2 Ausnahmen bei Hindernissen

Parkende Autos, Müll, Schlaglöcher, Eis oder ein gestörter Verkehrsfluss können einen benutzungspflichtigen Radweg unzumutbar machen – dann ist das Ausweichen auf die Fahrbahn erlaubt .

Ein Beispiel: Laut Urteil des OLG Naumburg (Az. 1 U 74/11) entfällt die Pflicht, wenn der Radweg durch Baustelle blockiert ist.

1.3 Sonderfälle: Linke Radwege und Zweirichtungsverkehr

Linke Radwege dürfen nur mit dem Zusatzschild „Radverkehr frei“ genutzt werden – andernfalls gelten sie als verboten. Auch Zweirichtungsradwege benötigen explizite Freigabe und müssen baulich den Sicherheitsanforderungen genügen.

Gerichte verlangen für solche Anlagen auch eine Mindestbreite und sichere Seitenführung – oft ≥ 2,00–2,40m

Ein eindrucksvolles Urteil: Beim BayVGH durfte trotz schmaler Wegführung (0,72–1,29 m) eine Benutzungspflicht verhängt werden – weil die Fahrbahn deutliche Risiken für Radler barg, die mit dieser Führung auf die Fahrbahn hätten ausweichen müssen.

1.4 Wann darf eine Benutzungspflicht verhängt werden?

Gemäß § 45 Abs. 9 StVO dürfen blaue Schilder nur eingesetzt werden, wenn eine besonders erhöhte Gefahr existiert – etwa stark befahrener Straßenabschnitt oder viele Abbiegebewegungen. Ohne diese besonderen Umstände wäre eine generelle Schilderung unzulässig.

Aus der VwV‑StVO geht hervor: Kommunen müssen vor Anordnung prüfen, ob Radwege baulich ausreichend sind (z. B. Breite 1,50 m). Fehlt das, ist die Schilderung rechtswidrig – jedoch bleibt sie solange wirksam, bis aufgehoben.

2. Fahrbahn vs. Gehweg – Worauf es ankommt

2.1 Fahrbahn – Regelfall für Radfahrer

Solange kein blauer Radweg besteht (oder dieser unzumutbar ist), müssen Radfahrende die Fahrbahn nutzen. Dabei gilt das Rechtsfahrgebot sowie der Mindestabstand von 1,5 m beim Überholen – beides gemäß StVO beziehungsweise Empfehlungen des ADAC .

Beispiel: Auf ruhigen Wohnstraßen ist die Fahrbahn oft sicherer, da Radfahrer besser gesehen werden als auf verschwenderisch hochbordig geführten Radwegen – dies belegen Studien zur Unfallforschung, die Kommunen zur Revision ihrer Verkehrsführung bewegt haben .

2.2 Gehweg – Nur bei ausdrücklicher Erlaubnis

Gehwege dürfen nur mit dem Zusatz-Schild „Radfahrer frei“ (Zeichen 240 mit Zusatz oder Zeichen 1022‑10) genutzt werden – und dann ausschließlich in Schrittgeschwindigkeit und mit Rücksicht auf Fußgänger.

Ausnahme: Kinder bis 8 Jahre müssen und bis 10 Jahre dürfen auf dem Gehweg fahren, allerdings meist nur mit Begleitperson .

Ein Bürgerbericht aus München bestätigt, dass Eltern ihre bis 9‑jährigen Kinder auf dem Gehweg begleiten – eine in der Praxis übliche Rechtsauslegung .

Beispiel: Ein klassischer Konflikt entsteht, wenn Eltern mit rollenden Kinderwägen nebeneinander auf dem Gehweg unterwegs sind – denn Radfahrer „frei“ heißt: NUR Fahrzeuge, keine Spaziergänger oder Jogger.

3. Nebeneinanderfahren & Gruppen

3.1 Nebeneinander erlaubt

Ein wichtiger Mythos ist: Radfahrer müssen hintereinander fahren. Falsch! Laut StVO‑Novelle 2020 dürfen Radler nebeneinander fahren – sofern sie den Verkehr nicht behindern.

Das gilt besonders auf Fahrradstraßen, wo Gruppen (Verbände) unter bestimmten Bedingungen bis zu 16 Radfahrer ohne Abstand nebeneinander fahren dürfen.

3.2 Fahrradstraßen und Pop-up-Radwege

Fahrradstraßen sind für Radfahrer*innen reserviert, Tempo 30 km/h für motorisierte Fahrzeuge gilt, und eben: Nebeneinanderfahren ist ausdrücklich erlaubt . Pop-up- und Radschnellwege entstanden mit der StVO‑Novelle 2020; sie sollen schnelle und sichere Stadtverbindungen schaffen – unter Einhaltung neuer Mindeststandards und mit Schutzstreifen .

4. Zebrastreifen – Wer hat Vorrang?

Ein unterschätzter Konfliktpunkt: Dürfen Radfahrer einfach über Zebrastreifen fahren?

Nein! Eine aktuelle Klarstellung fasst die Regeln:

„Wenn Sie einem Auto auf dem Zebrastreifen die Vorfahrt nehmen wollen, müssen Sie absteigen und Ihr Fahrrad schieben. Fährt man dagegen über den Zebrastreifen, muss man den vorbeifahrenden Autos den Vortritt lassen.“

Das bedeutet: Radfahrer haben keinen Vorrang – weder fahrend noch schiebend. Sobald sie den Fußgängerüberweg überqueren, müssen sie Autofahrern Vorrang gewähren.

5. Kopfhörer & Handy: Was ist erlaubt?

5.1 Kopfhörer

Viele Fragen sich: Sind Musik‑Kopfhörer erlaubt?
Ja, allerdings nur, wenn das Gehör durch einseitiges oder leises Tragen nicht wesentlich eingeschränkt bleibt .

Der ADFC empfiehlt aus Sicherheitsgründen, ganz darauf zu verzichten.

5.2 Handy am Ohr/Hand

Im Gegensatz zum Auto ist Rad­fahren mit dem Handy erlaubt, solange es nicht gehalten wird – exakt wie beim Laufen oder Joggen. Wenn man jedoch beim Fahren das Handy in der Hand hält, droht ein Verwarnungsgeld – 55 €.

6. Alkohol am Sattel

Ein weiterer verbreiteter Mythos: Ist Radfahren auch mit Alkohol erlaubt?
Klare Antwort: Nein, bei Alkoholisierung drohen gravierende Folgen:

  • Ab 0,3 ‰ und Fahrunsicherheit oder Unfall: Straftat

  • Ab 1,6 ‰ schon der reine Alkoholisierungszustand: Straftat

Beispiel aus den Medien: Fällt ein Radfahrer mit 1,7 ‰ an einer Ampel um und verursacht dabei einen Unfall, erfolgt eine Strafanzeige trotz scheinbarer Unschuld.

7. Einbahnstraßen & Gegenfahrten

Einbahnstraßen sind nur für Radfahrer in Gegenrichtung befahrbar, wenn ein Zusatzschild „Radverkehr frei“ angebracht ist. Anderenfalls ist auch dort Fahrbahn in gesetzlicher Richtung vorgeschrieben.

Ein großes Plus der StVO‑Novelle: Rechtsabbiegen bei Rot – dank Fahrrad-Grünpfeil, nutzbar seit 2020 .

8. Bußgelder & Sanktionen

Die Straßenverkehrsbehörden ahnden Fehlverhalten von Radlern je nach Schwere:

Verstoß Bußgeld*
Benutzungspflicht ignoriert (blaues Schild) 20 €
+ Behinderung 25 €
+ Gefährdung 30 €
Unfall verursacht 35 €
Handy in der Hand 55 €
Gehweg ohne Freigabe 55–100 €
*Bussgeldkatalog nach aktuellen Angaben.

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*