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E-Scooter: Entwicklung, Probleme und Gehweg-Parken

Als die ersten E-Scooter im Sommer 2019 auf deutschen Straßen auftauchten, galten sie als Meilenstein moderner Mikromobilität. Schnell, flexibel und emissionsarm sollten sie eine Alternative zum Auto bieten, insbesondere auf der „letzten Meile“ – also dem Weg vom Bahnhof zur Wohnung oder vom Büro zur U-Bahn.

Sechs Jahre später sind E-Scooter zwar fester Bestandteil des urbanen Mobilitätsmixes, doch ihr Ruf ist angeschlagen. Probleme wie Unfallrisiken, Umweltfragen und das konfliktbeladene Gehweg-Parken sorgen zunehmend für Kritik. Verkehrsminister Volker Wissing plant nun eine Gesetzesänderung, die das Gehweg-Parken von Leihrollern bundesweit verbieten soll. Der folgende Artikel beleuchtet die Entwicklung der E-Scooter, die damit verbundenen Herausforderungen und die aktuelle Debatte um Parkregelungen.

Entwicklung und Verbreitung

Technische Grundlagen

E-Scooter sind elektrisch betriebene Tretroller, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h zugelassen sind. Sie gelten rechtlich als Elektrokleinstfahrzeuge und dürfen auf Radwegen, Radfahrstreifen oder – falls nicht vorhanden – auf der Fahrbahn fahren. Das Fahren auf Gehwegen ist grundsätzlich verboten. Bei Leihscootern erfolgt die Aktivierung meist per App, abgerechnet wird nach Zeit oder Strecke.

Zahlen und Verteilung

Laut dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) waren 2022 rund 764.000 E-Scooter in Deutschland versichert, davon etwa 193.000 in Leihflotten. In Städten wie Berlin stieg die Zahl der E-Scooter von rund 11.000 im Jahr 2019 auf über 40.000 im Jahr 2022. Auch in München, Köln, Hamburg und Düsseldorf gehören die Roller mittlerweile zum Stadtbild. Die durchschnittliche Fahrtstrecke liegt bei etwa 2 Kilometern.

Die Nutzung konzentriert sich dabei stark auf Innenstädte, touristisch geprägte Viertel und Bahnhofsbereiche. Hier wird der E-Scooter häufig als bequeme Ergänzung zum ÖPNV genutzt. Dennoch bleibt der Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen gering.

Hauptprobleme und Herausforderungen

Unfallrisiken und Sicherheit

Mit der zunehmenden Verbreitung der E-Scooter stiegen auch die Unfallzahlen. Nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ereigneten sich 2022 mehr als 8.000 polizeilich erfasste Unfälle mit E-Scootern. Besonders besorgniserregend: Mehr als die Hälfte dieser Unfälle betraf Leihroller. Viele Fahrerinnen und Fahrer unterschätzen die Geschwindigkeit und unterschreiten den nötigen Sicherheitsabstand. Zudem verzichten laut einer Studie des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) über 90 Prozent der Nutzer auf einen Helm.

Ein dramatisches Beispiel: Im Juli 2023 kam ein 68-jähriger Fußgänger in Köln ums Leben, nachdem ihn ein E-Scooter-Fahrer auf dem Gehweg erfasst hatte. Der Fall löste eine breite Debatte über Sicherheitsmaßnahmen aus. Städte wie Düsseldorf und Hamburg haben daraufhin zusätzliche Maßnahmen wie Sperrzonen und Nachtfahrverbote eingeführt.

Umweltbilanz und Nachhaltigkeit

E-Scooter gelten auf den ersten Blick als umweltfreundlich – schließlich verursachen sie keine direkten Emissionen. Doch bei genauerer Betrachtung ist die Bilanz ambivalent. Die Produktion der Akkus, der hohe Energieaufwand beim Aufladen und das häufige Umherfahren von sogenannten „Juicern“, die die Roller einsammeln und neu verteilen, belasten die Umwelt erheblich.

Eine Studie der französischen Umweltagentur ADEME kam bereits 2020 zu dem Schluss, dass Leihroller im Durchschnitt klimaschädlicher sind als Bus oder Bahn. In vielen Fällen ersetzen sie auch nicht den Autoverkehr, sondern Fußwege oder den ÖPNV. „Der E-Scooter ist eine moderne Bequemlichkeitsfalle“, kritisiert Verkehrsökologe Prof. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. „Er suggeriert Nachhaltigkeit, wird aber oft für Strecken genutzt, die man auch zu Fuß gehen könnte.“

Datenschutz und Privatsphäre

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umgang mit Nutzerdaten. Leihroller-Anbieter speichern GPS-Daten, um Fahrten nachvollziehen, Flotten optimieren und Fehlverhalten dokumentieren zu können. Datenschützer warnen jedoch vor der Erstellung umfassender Bewegungsprofile. „E-Scooter sind fahrende Sensoren“, mahnt der Datenschutzexperte Thilo Weichert. „Wer ihre Daten nicht anonymisiert, riskiert massive Eingriffe in die Privatsphäre.“

Gehweg-Parken – der aktuelle Konflikt

Aktueller Gesetzesentwurf

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will mit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) das Parken von Leih-E-Scootern auf Gehwegen bundesweit untersagen. Das Vorhaben ist Teil der geplanten Reform zur Stärkung des Radverkehrs und der sogenannten „Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum“. In dem Gesetzesentwurf heißt es: „Gehwege sind vorrangig dem Fußverkehr gewidmet – das Abstellen von Mietfahrzeugen stellt eine Sondernutzung dar, die genehmigungspflichtig ist.“

Künftig sollen Städte die Möglichkeit erhalten, stationäre Abstellflächen oder digitale Geozonen zu definieren, in denen Roller erlaubt sind. Wer außerhalb dieser Zonen parkt, muss mit Bußgeldern rechnen. Eine generelle Erlaubnis zum Parken auf Gehwegen wird es für Leihroller nicht mehr geben – lediglich privat genutzte E-Scooter sind davon ausgenommen.

Reaktionen

Die Reaktionen auf die geplante Reform fallen unterschiedlich aus. Anbieter wie Voi, Tier und Lime sehen ihre Geschäftsmodelle gefährdet. „Ein pauschales Gehweg-Parkverbot entspricht einem faktischen Betriebsverbot“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Anbieter an das Bundesverkehrsministerium. Man befürchte, dass die Flexibilität – und damit die Attraktivität – des Leihsystems leide.

Fußgänger- und Seniorenverbände hingegen begrüßen die Pläne. „Eingeschränkte Menschen, Kinder und Sehbehinderte werden regelmäßig durch wild abgestellte Roller gefährdet“, so Thomas Holzmann vom Sozialverband VdK. Auch Städte und Kommunen sehen Vorteile: „Wir brauchen klare Spielregeln und mehr Handlungsspielraum“, sagt Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetags.

Internationale Perspektive und Praxisbeispiele

Ein Blick ins Ausland zeigt, wie unterschiedlich Städte mit dem E-Scooter-Dilemma umgehen. In Paris wurde das Leihsystem nach einem Bürgerentscheid im Jahr 2023 vollständig eingestellt. Madrid hat die Flottengröße stark reduziert und feste Abstellstationen eingeführt. In Kopenhagen dürfen Scooter nur in bestimmten Arealen per App geparkt werden – sonst ist der Leihvorgang nicht abschließbar.

Auch Berlin experimentiert mit strikteren Regeln: Seit Sommer 2024 gilt im Bezirk Mitte eine 3,5 Quadratkilometer große Parkverbotszone. Dort dürfen Roller nur noch an rund 100 klar markierten Stellplätzen abgestellt werden – ausgestattet mit Geofencing-Technologie und taktilen Bodenplatten. Wer außerhalb parkt, kann den Leihvorgang nicht beenden. Das System soll nun auf weitere Bezirke ausgeweitet werden.

Mögliche Lösungsansätze

Stationäre Modelle vs. Free-Floating

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist die Frage, ob E-Scooter künftig nur noch stationär angeboten werden sollen. Während Free-Floating-Modelle spontane Nutzung ermöglichen, sorgen sie auch für Chaos im öffentlichen Raum. Stationäre Systeme wie in Wien oder Brüssel erzwingen Ordnung, erfordern jedoch zusätzliche Infrastruktur.

Geofencing und Parkzonen

Die Einführung digitaler Sperrzonen (Geofencing) könnte helfen, das wilde Parken zu verhindern. Apps könnten gezielt anzeigen, wo das Abstellen erlaubt ist – ähnlich wie bei Carsharing-Modellen. Auch temporäre Einschränkungen, etwa bei Großveranstaltungen oder in Fußgängerzonen, wären technisch möglich.

Kommunale Kooperationen

Städte könnten vermehrt mit Anbietern zusammenarbeiten, um maßgeschneiderte Lösungen zu erproben. Beispiele wie Münster, Freiburg oder Leipzig zeigen, dass Kooperation und kommunale Steuerung die Akzeptanz deutlich erhöhen. Wichtig ist dabei ein kontinuierlicher Dialog zwischen Kommunen, Verkehrsverbänden und Anbieterfirmen.

Technische Weiterentwicklung

Langfristig könnten auch technische Verbesserungen die Sicherheit und Ordnung erhöhen. Denkbar sind Sensoren zur Hinderniserkennung, automatische Geschwindigkeitsdrosselung in Fußgängerzonen oder Reaktionstests vor Fahrtantritt. Einige Anbieter testen bereits Kamera- und KI-basierte Systeme zur Erkennung riskanter Fahrweise.

Flexibilität und Innovation versus Ordnung und Sicherhei

Die Debatte um das Gehweg-Parken von E-Scootern ist Ausdruck eines grundlegenden Zielkonflikts: Flexibilität und Innovation auf der einen Seite, Ordnung und Sicherheit im öffentlichen Raum auf der anderen. Mit der geplanten Gesetzesreform setzt die Bundesregierung ein deutliches Zeichen – zu Gunsten des Fußverkehrs.

Ob E-Scooter damit langfristig an Bedeutung verlieren, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird sein, ob Anbieter und Kommunen gemeinsam neue Modelle entwickeln, die sowohl die Bedürfnisse der Nutzer als auch die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen. Mit einem klaren Regelrahmen, technischer Innovation und sozialer Verantwortung kann der E-Scooter weiterhin Teil einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie bleiben – ohne dabei den Gehweg zur Stolperfalle zu machen.

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