1. Dringlichkeit einer Neuausrichtung
DB Cargo, die Gütersparte der Deutschen Bahn, ist Europas größter Anbieter im Schienengüterverkehr und transportiert jährlich rund 180 Mio. Tonnen Fracht. Doch das Geschäft steckt tief in den roten Zahlen: Im Jahr 2024 wies DB Cargo einen operativen Verlust (EBIT) von 357 Mio. € aus, was allerdings bereits eine Verbesserung um etwa 140 Mio. gegenüber 2023 darstellt.
Die EU hat im Rahmen eines laufenden Beihilfeverfahrens festgelegt, dass DB Cargo spätestens bis Ende 2026 die Profitabilität erreichen muss – staatliche Subventionen sind danach untersagt. Die Dringlichkeit dieses Zieles macht die laufende Transformation zum größten Reformprojekt in der Geschichte der Bahn.
2. Ausgangslage & Herausforderungen
Eine wesentliche Ursache für die finanzielle Schieflage ist struktureller Natur. CEO Sigrid Nikutta weist darauf hin, dass jahrzehntelang Unklarheit über die Rolle des Schienengüterverkehrs herrschte. Viele Strecken wurden stillgelegt, und der Fokus lag auf der Straße. Die veraltete und überlastete Infrastruktur, vor allem in Knotenpunkten wie Köln oder Hamburg, verschärft das Problem zusätzlich.
Ein Hauptkostentreiber ist der Einzelwagenverkehr – der Transport einzelner oder weniger Waggons. Er verursacht etwa 80 % der Verluste und ersetzt täglich 40.000 Lkw-Fahrten. DB Cargo dominiert dieses Segment mit rund 90 % Marktanteil – mit anderen Worten: Dieses Geschäft macht kaum Gewinn und wird stark subventioniert.
3. EU-Auflagen & staatliche Unterstützung
Die EU verwehrt DB Cargo weiterhin direkte staatliche Rettung – stattdessen sind freiwillige Hilfen bis zu 2026 erlaubt. Im Gegenzug forderte sie ein umfassendes Sanierungskonzept, das seit dem Beihilfeverfahren 2018 in Arbeit ist.
Deutschland hat 2024 ein jährliches Förderprogramm von 300 Mio. € für den Einzelwagenverkehr initiiert. Die Auszahlung bleibt jedoch aufgrund komplizierter Anmeldeverfahren und teils ungenügender Ausschüttung ineffizient. Nikutta fordert deshalb „einen einfachen Auskehrmechanismus“ – und verweist darauf, dass in Ländern wie Frankreich die Fördermechanismen bereits optimiert sind.
4. Das Transformationsprogramm S³
4.1 Strukturreform: Sparten nach Kundensegmenten
Seit 1. Januar 2025 ist DB Cargo in sechs Geschäftseinheiten organisiert: Steel, Automotive, Liquids & Bulk, FLS, Kombinierter Verkehr u. a. Jede Einheit agiert nach dem Prinzip „mittelständisches Denken“ mit eigener Budget-, Personal- und Flottenverantwortung.
Zitat Nikutta: „Wir arbeiten alle flexibler und haben unser Gesamtunternehmen in sechs Geschäftseinheiten geteilt. Jede Einheit arbeitet wie ein Unternehmen mit mittelständischer Struktur.“
4.2 Kosten- und Effizienzmaßnahmen
Ein Kernstück der Sanierung sind Maßnahmen zur Kostenreduktion: Einsparungen bei Mieten, Verwaltungen und IT. Diese Maßnahmen zeigten bereits erste Erfolge: Laut Nikutta schrieb man im Mai 2025 im EBIT erstmals schwarze Zahlen.
4.3 Digitalisierung & Automatisierung
DB Cargo setzt stark auf technische Innovation:
- Entwicklung automatisierter Rangierlokomotiven („Abdrückloks“) in Kooperation mit Bosch
- Digitalisierung der Schienennetze, Wagenortung via Sensorik („Digitale Schiene“)
- Pilotprojekte für die Digitale Automatische Kupplung (DAK) bis Mitte 2026
Diese Entwicklungen sollen die Effizienz steigern und Kosten senken.
4.4 Nachhaltigkeit & Technologie
Klimafreundliche Innovationen sind ein weiterer Fokus:
- Hybridlokomotiven („Vectron Dual Mode light“) mit Strom- und HVO-Dieselbetrieb – 150 Exemplare bestellt
- Ziel: bis 2030 soll 70 % des Dieselbetriebs ersetzt werden
- DB CargoLab fördert Pilotprojekte mit H₂-Containern
- Modernisierte Güterwagen (z. B. Tanoos 2.0) für mehr Effizienz & Umweltfreundlichkeit
5. Personalabbau & gewerkschaftliche Reaktionen
DB Cargo will bis 2029 insgesamt 5.000 Stellen abbauen – von 18.500 auf 13.500 Mitarbeiter. Bis heute wurden rund 2.300 Stellen sozialverträglich reduziert.
Die Gewerkschaft EVG kritisiert insbesondere Verzögerungen beim Infrastrukturmodernisierung der DB-Infrago, betont aber zugleich die Notwendigkeit eines sozialen Ausgleichs.
Nikutta wehrt sich gegen persönliche Angriffe, etwa auf LinkedIn: „Fake News sind gefährlich und tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei.“
6. Risiken & Ausblick
- Marktrisiken: Rückgang bei Transportvolumen und starker Wettbewerbsdruck durch Lkw
- Infrastruktur: Überlastete Knoten und Modernisierungsrückstände beeinträchtigen Effizienz
- Chancen: Technologische Innovationen und Nachhaltigkeitsziele schaffen Wachstumsfelder
Der verankerte Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation stärkt die Marktposition. Dennoch bleibt der Weg zur schwarzen Null bis 2026 eine große Herausforderung.
7. Zwischenfazit & Bewertung
- Finanziell: Rückgang des Verlusts auf einen zweistelligen Millionenbereich und ein positives EBIT im Mai zeigen Fortschritte.
- Operativ: Strukturreform und Digitalisierung erhöhen Flexibilität und Eigenverantwortung.
- Nachhaltigkeit: Hybridtechnologie und grüne Innovationen stärken das Image.
- Risiken: Politische Unsicherheiten und marode Infrastruktur bleiben Bremsfaktoren.
8. Schlussgedanken
Die Transformation von DB Cargo ist ein Kraftakt mit umfassender Neuausrichtung: von Kultur über Technik bis hin zur Infrastruktur. Die bisherigen Fortschritte liefern gute Gründe zur Zuversicht, doch knappe Deadlines bis 2026, erhebliche operative Hürden und gesetzliche Rahmenbedingungen setzen DB Cargo weiterhin unter Druck.
Der Erfolg wird entscheidend davon abhängen, ob Effizienzsteigerungen und technologische Innovationen den Weg zu nachhaltiger Profitabilität pflastern können.
Die nächsten Schritte sollten sein:
- Umsetzung strukturierter Auszahlungssysteme für Fördergelder
- Fortführung der Infrastrukturmodernisierung
- Ausbau von digitalen Technologien zur Automatisierung
- Weiterer sozialverträglicher Personalabbau
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