Öresundbrücke

Von der Öresundbrücke zum Fehmarnbelttunnel – Schweden, Dänemark und Deutschland nähern sich an

Die Rolle großer Fixverbindungen in Nordeuropa

In einer zunehmend vernetzten Welt gewinnen physische Verbindungen zwischen Nationen eine besondere Bedeutung – nicht nur für Handel und Mobilität, sondern auch für das kulturelle und politische Zusammenwachsen. In Nordeuropa symbolisieren insbesondere die Öresundbrücke und der sich im Bau befindliche Fehmarnbelttunnel diese grenzüberschreitende Integration. Während die Öresundbrücke bereits seit 25 Jahren als lebendige Verbindung zwischen Schweden und Dänemark dient, markiert der Fehmarnbelttunnel zwischen Dänemark und Deutschland den nächsten logischen Schritt in der Vernetzung des Ostseeraums. Der Artikel zeichnet diese Entwicklung nach und zeigt, wie Infrastruktur zum Motor europäischer Nähe wird.

Die Öresundbrücke – 25 Jahre Verbindung zwischen Schweden und Dänemark

Am 1. Juli 2000 wurde die Öresundbrücke nach rund fünf Jahren Bauzeit offiziell eröffnet. Sie verbindet die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit der schwedischen Stadt Malmö. Die Konstruktion besteht aus drei Elementen: einer Hochbrücke, einer künstlichen Insel (Peberholm) und einem 4 km langen Unterwassertunnel auf der dänischen Seite. Mit einer Gesamtlänge von 16 Kilometern ist sie eines der beeindruckendsten Ingenieurbauwerke Europas.

Der Einfluss der Brücke geht jedoch weit über architektonische oder logistische Aspekte hinaus. Seit ihrer Eröffnung hat sie eine tiefgreifende soziale, kulturelle und wirtschaftliche Veränderung in der Öresundregion ausgelöst. Eine neue transnationale Metropolregion ist entstanden, in der heute mehr als vier Millionen Menschen leben. Die Zahl der täglichen Pendler hat sich auf über 20.000 eingependelt, wobei etwa 96 % der Grenzgänger aus Schweden stammen. Besonders attraktiv ist für viele Schweden die Kombination aus vergleichsweise günstigen Wohnkosten in Malmö und attraktiven Jobs in Kopenhagen.

Institutionen wie Øresunddirekt unterstützen diesen grenzüberschreitenden Alltag durch rechtliche, steuerliche und arbeitsrechtliche Beratung. Seit 2000 wurden über 20 Millionen Webzugriffe auf die Informationsplattform registriert – ein Indikator für die alltägliche Nutzung der Verbindung.

Symbolkraft und Jubiläum der Öresundbrücke

Zum 25-jährigen Jubiläum im Juni 2025 wurde die Brücke zur Festbühne: Über 40.000 Läuferinnen und Läufer nahmen am „Broloppet“, einem Halbmarathon über die Brücke, teil – ein eindrucksvolles Symbol für Offenheit und Verbindung. Gleichzeitig aber wurde auch Kritik laut: Mit einer Maut von bis zu 130 Euro für Hin- und Rückfahrt gilt die Öresundbrücke heute als teuerste mautpflichtige Straßenverbindung der Welt. Diese hohen Kosten schränken die Nutzung für viele Menschen ein, was wiederum soziale und wirtschaftliche Potenziale hemmt.

Dennoch überwiegt die positive Bilanz. Viele Pendler, wie etwa Helen Sjögren, die in Schweden lebt und in Dänemark arbeitet, berichten von einem gestärkten skandinavischen Bewusstsein. „Ich bin heute mehr Skandinavierin als Schwedin“, sagt sie im Interview mit The Guardian. Unterschiede in der Arbeitskultur, bei Steuersystemen und im Sozialsystem seien vorhanden, würden aber zunehmend als Bereicherung und nicht als Barriere empfunden.

Der Fehmarnbelttunnel – die nächste Etappe der Nordeuropa-Verkettung

Die logische Fortsetzung dieses Integrationsprozesses ist der Fehmarnbelttunnel – ein gigantisches Infrastrukturprojekt, das Dänemark mit Deutschland verbinden wird. Der rund 18 Kilometer lange Absenktunnel entsteht zwischen Rødbyhavn auf der dänischen Insel Lolland und Puttgarden auf der deutschen Insel Fehmarn. Es handelt sich um den längsten Absenktunnel der Welt, der sowohl für den Straßen- als auch für den Schienenverkehr ausgelegt ist. Die Fertigstellung ist für 2029 geplant.

Die Umsetzung erfolgt nach dem sogenannten „Lego-Prinzip“: In einer eigens gebauten Tunnelfabrik in Rødbyhavn werden 89 Betonelemente mit einem Gewicht von jeweils rund 73.500 Tonnen vorgefertigt und anschließend ins Meer abgesenkt. Die beiden Portalbauten sind bereits fertiggestellt, die Absenkung der Elemente soll in Kürze beginnen. Das Gesamtbudget des Projekts liegt bei rund 7,4 Milliarden Euro und wird durch den dänischen Staat finanziert, wobei die Nutzungsgebühren (Maut) langfristig die Kosten refinanzieren sollen.

Mobilität und wirtschaftliche Effekte des Fehmarnbelttunnels

Die verkehrliche Wirkung des Tunnels wird tiefgreifend sein: Die Fahrzeit für Autos zwischen Puttgarden und Rødbyhavn sinkt von derzeit etwa 45 Minuten (inklusive Fährfahrt) auf rund 10 Minuten. Für den Schienenverkehr reduziert sich die Durchfahrt auf nur noch sieben Minuten. Die Verbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen wird künftig in nur zweieinhalb Stunden möglich sein – ein Quantensprung für den Personen- und Güterverkehr in der Region.

Darüber hinaus wird der Fehmarnbelttunnel Teil der transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) und schließt die strategisch wichtige „Vogelfluglinie“ zwischen Skandinavien und Mitteleuropa. Besonders für den Gütertransport bringt dies immense Vorteile: Der Landweg zwischen Skandinavien und Südeuropa wird schneller, effizienter und umweltfreundlicher. Zudem verspricht man sich durch die neue Achse einen wirtschaftlichen Aufschwung in strukturschwachen Regionen wie dem dänischen Lolland und dem norddeutschen Ostholstein.

Herausforderungen und Kritik am Fehmarnbelttunnel

Doch der Tunnelbau ist nicht frei von Kritik. In Deutschland gab es jahrelange juristische Auseinandersetzungen mit Umweltverbänden, Kommunen und Anwohnerinitiativen, die Eingriffe in das Ökosystem der Ostsee und die Belastung durch Baulärm bemängelten. Erst 2020 konnte der Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig den Weg endgültig freimachen. Die deutsche Seite ist zudem für den Ausbau der Hinterlandanbindung verantwortlich – insbesondere für die Elektrifizierung und den zweigleisigen Ausbau der Strecke Lübeck–Puttgarden sowie den Bau des Fehmarnsundtunnels. Diese Projekte sind bislang noch nicht vollständig abgeschlossen und könnten die Nutzung des Fehmarnbelttunnels verzögern.

Auch die hohen Baukosten und die daraus resultierenden Mautgebühren werden kritisch betrachtet. Es gibt Befürchtungen, dass insbesondere sozial schwächere Gruppen von der Nutzung ausgeschlossen werden könnten – ein Effekt, der bereits bei der Öresundbrücke zu beobachten war.

Ausblick: Eine vernetzte nordische Zukunft

Trotz dieser Herausforderungen ist der Tunnel ein Symbol für eine grenzüberschreitende Zukunft. Mit der Fertigstellung des Fehmarnbelttunnels und dem parallelen Ausbau der Bahnstrecke bis Hamburg entsteht ein echter europäischer Hochgeschwindigkeitskorridor. Die Region zwischen Skandinavien und Mitteleuropa wächst weiter zusammen – wirtschaftlich, kulturell und politisch.

Die Vision reicht dabei weit über Infrastruktur hinaus: Es geht um ein neues regionales Selbstverständnis. Während die Öresundbrücke vor allem den dänisch-schwedischen Raum zusammengeführt hat, steht der Fehmarnbelttunnel für eine neue Dreierkonstellation zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden. Künftig könnte sich eine Art „Nordachse Europas“ etablieren – ein Modell für andere europäische Regionen, in denen grenzüberschreitende Zusammenarbeit bisher noch erschwert ist.

Integrationsidee

Die Öresundbrücke hat gezeigt, dass große Infrastrukturprojekte nicht nur Verkehrsverbindungen schaffen, sondern auch das Denken verändern können. Sie hat Schweden und Dänemark näher zusammengebracht – wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell. Mit dem Fehmarnbelttunnel wird diese Integrationsidee konsequent weitergeführt. Deutschland, Dänemark und Schweden bewegen sich aufeinander zu – durch Beton, Stahl und Visionen.

Was einst als waghalsiges Großprojekt belächelt wurde, ist heute Ausdruck europäischer Realität: Ein zusammenwachsender Norden, in dem Pendler, Unternehmen und Reisende nicht mehr durch Grenzen, sondern nur noch durch ihre Ziele bestimmt werden.

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