Wer sich durch Stammtischdebatten, Kommentarspalten oder Preisvergleiche klickt, könnte meinen: Elektroautos polarisieren wie kaum ein anderes Technikthema. Zwischen Ladefrust, Restwertsorgen und Reichweitenangst auf der einen Seite und Fahrspaß, niedrigen Wartungskosten und Klimabilanz auf der anderen prallen Welten aufeinander.
Umso spannender ist eine neue, repräsentative Befragung der ADAC Autoversicherung. Sie zeigt, wie Fahrerinnen und Fahrer das Erlebnis am Steuer eines Stromers tatsächlich bewerten – und welche Faktoren über Kauf oder Nichtkauf entscheiden. Dieser Artikel ordnet die Ergebnisse ein, ergänzt sie um weitere Studien und leitet praktische Konsequenzen für Autohäuser, Hersteller und Versicherer ab.
Das Kernergebnis: E-Autos überzeugen am Lenkrad
Die zentrale Zahl aus der ADAC-Umfrage ist deutlich: Wer schon einmal ein Elektroauto gefahren ist, bewertet dieses Erlebnis überwiegend positiv. Damit widerspricht die Praxis vielen Vorurteilen, die sich vor allem bei Menschen halten, die noch keine eigene Erfahrung gesammelt haben. Gerade hier entsteht häufig ein Wahrnehmungsbruch: Die Skepsis ist groß, solange die Berührungspunkte fehlen – mit der ersten echten Fahrt relativiert sich vieles.
„81 Prozent gefällt das Fahren mit E-Autos.“
Die Gründe dafür liegen auf der Hand und lassen sich in Gesprächen mit E-Auto-Fahrern immer wieder heraushören: das unmittelbare Ansprechverhalten ohne Schaltvorgang, die leise, gelassene Art der Fortbewegung, das Rekuperieren im Stadtverkehr, das One-Pedal-Gefühl im Stop-and-go. Während Reichweite und Ladeleistung je nach Fahrzeug und Infrastruktur variieren, bleibt der Fahreindruck unabhängig vom Modell für viele überraschend souverän – und genau das prägt die Erinnerung an die erste Fahrt.
Methodik: Wer wurde befragt – und was heißt „repräsentativ“?
Für die ADAC-Umfrage hat das Institut Norstat im Juli 2025 insgesamt 1.071 Autofahrerinnen und Autofahrer ab 18 Jahren online befragt, die beim Abschluss einer Kfz-Versicherung mitentscheiden. Der Fokus liegt also auf Menschen, die tatsächliche Kauf- oder Policenentscheidungen beeinflussen – ein wichtiger Punkt, wenn man aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen für den Markt ableiten möchte. Online-Stichproben dieser Größenordnung sind im Mobilitätsbereich üblich; mit gezielten Quoten und Gewichtungen lässt sich eine solide Annäherung an die Grundgesamtheit erzielen. Wichtig bleibt: Jede Umfrage bildet einen Zeitpunkt ab. Wirklichkeit ist dynamisch – und Einstellungen zur E-Mobilität sind es erst recht.
Was die Zahlen außerdem sagen: Vielfalt und Technik treiben den Umschwung
Neben dem Fahreindruck identifiziert die ADAC-Umfrage zwei weitere Schlüsselfaktoren für die wachsende Akzeptanz: eine deutlich größere Modellvielfalt und spürbar verbesserte Akkus. In den vergangenen Jahren hat sich die Angebotspalette diversifiziert – vom kompakten Stadtstromer über das familientaugliche Crossover bis hin zum elektrischen Kombi oder Transporter. Parallel haben Hersteller Batteriechemie und Thermomanagement weiterentwickelt, was im Alltag höhere Reichweiten und kürzere Ladezeiten ermöglicht. Das mindert die berühmte „Reichweitenangst“ und macht E-Autos für mehr Nutzerprofile alltagstauglich.
Diese Angebots- und Technikdynamik spiegelt sich auch in Marktzahlen wider: Der Anteil der reinen Elektroautos an den Pkw-Neuzulassungen lag im ersten Halbjahr 2025 im zweistelligen Bereich. Das ist kein Selbstzweck, sondern ein Hinweis darauf, dass die Kombination aus Vielfalt, Effizienz und fiskalischen Rahmenbedingungen (etwa Kfz-Steuerbefreiung und regionalen Stromtarifangeboten) wirkt.
Probefahrten als Schlüssel zur Kaufentscheidung
Die ADAC-Umfrage liefert einen besonders praktischen Hinweis für den Vertrieb: Ohne Probefahrt gibt es selten einen Vertrag. Menschen wollen erleben, nicht nur erklärt bekommen. Und sie wollen testen, wie sich Laden im Alltag anfühlt – vom Authentifizieren bis zum Einstecken, von der Ladeleistung bis zur Anzeige im Fahrzeug. Daraus folgt für Autohäuser: Eine Probefahrt, die das Laden bewusst einbindet, nimmt Hürden und schafft Vertrauen.
„86 Prozent der Autofahrer würden ohne Probefahrt kein E-Auto kaufen.“
Über die reine Bewegung hinaus zählt die Ladestation als Erlebnisbaustein. Wer im Rahmen der Probefahrt tatsächlich lädt, versteht schneller, welche Steckerstandards, Tarife und Apps im eigenen Alltag sinnvoll sind. Auch Fragen zur Wallbox daheim – Anschlussleistung, Installation, Fördermöglichkeiten – sollten nicht in Prospektdeutsch verhallen, sondern konkret beantwortet werden. Nicht zuletzt reduziert ein „erlebtes“ Laden das Risiko späterer Enttäuschungen und sorgt für realistische Erwartungen an Ladezeit, Kosten und Komfort.
Versicherung neu denken: Akku-Schutz wird zur Pflichtanforderung
Auch Versicherer bekommen in der ADAC-Umfrage ein klares To-do: Der Akku ist das teuerste Bauteil und steht im Zentrum der Absicherung. Kundinnen und Kunden erwarten, dass Policen die spezifischen Risiken elektrischer Antriebe abdecken – von Tiefentladung und Kurzschluss über Bedienfehler bis hin zu Folgeschäden nach einem Unfall. Eine verständliche, transparent kommunizierte „Allgefahrendeckung“ für die Traktionsbatterie ist deshalb kein „nice to have“, sondern Kaufkriterium.
„Für 72 Prozent wäre ein Versicherungsschutz für den Akku wichtig.“
Versicherer, die hier proaktiv beraten – inklusive Angaben zu Reparaturfähigkeit, Zellmodulen, Herstellergarantien oder Recycling – werden als kompetent erlebt. Gleichzeitig eröffnet sich Raum für neue Servicebausteine: etwa Mobilitätsgarantien für den Ladeausfall unterwegs, Diagnosechecks nach Schnellladungen oder Rabattierung für schonende Ladeprofile, sofern datenschutzrechtlich sauber umgesetzt.
Marken- und Versicherertreue: Wechselbereitschaft steigt
Interessant ist die Frage, was beim anstehenden Wechsel auf ein Elektroauto aus der bisherigen Automarke und der aktuellen Versicherung wird. Die ADAC-Zahlen deuten an: Der Umstieg ist ein „Reset-Moment“. Wer Technologie und Bedienphilosophie neu bewertet, hinterfragt häufiger auch alte Loyalitäten. Für Hersteller bedeutet das: Der Kampf um die Kundenschnittstelle beginnt nicht erst beim Verkauf, sondern schon bei Software-Updates, digitalen Services, Lade-Ökosystemen und transparenten Gesamtbetriebskosten.
Für Versicherer gilt ähnliches. Der Informationsvorsprung rund um Risiken, Tarifierung und Schadenabwicklung bei E-Fahrzeugen kann zur Differenzierung werden – oder zum Nachteil, wenn man den Wissensbedarf unterschätzt. Wer frühzeitig Beratungskompetenz sichtbar macht, erhöht die Chance, dass Kundinnen und Kunden bleiben.
Der Blick über die ADAC-Studie hinaus: Wie zufrieden sind E-Auto-Fahrer insgesamt?
Ein zweiter, unabhängiger Datenpunkt hilft, das Bild zu kalibrieren: der „E-Auto-Monitor“ eines bekannten Marktforschungsinstituts, erstellt für ein Wirtschaftsmagazin. Er trennt zwischen Verbrenner-, Plug-in- und Elektrofahrern – und misst deren Zufriedenheit mit dem eigenen Fahrzeug. Das Ergebnis stützt die ADAC-Befunde zur Fahrerfahrung, geht aber in der Tonalität noch einen Schritt weiter.
„57 Prozent der E-Auto-Fahrer sind ‘sehr zufrieden’.“
Damit liegen Elektrofahrer an der Spitze – vor Benzinern und Diesel/Plug-in-Hybriden. Bemerkenswert ist zudem die Bindungswirkung: Wer elektrisch fährt, möchte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim nächsten Kauf wieder elektrisch unterwegs sein. Das ist nicht nur eine Sympathiebekundung, sondern ein Hinweis auf echte Alltagstauglichkeit über verschiedene Mobilitätsprofile hinweg – vom Pendeln über Urlaubsfahrten bis zum Hängerbetrieb moderner E-SUVs oder -Pick-ups.
„Wer einmal elektrisch fährt, will nicht mehr zurück.“
Diese Aussage sollte man nicht als Dogma lesen – selbstverständlich gibt es Lebenssituationen, in denen ein Verbrenner (noch) besser passt. Aber die Tendenz ist klar: Mit wachsender Erfahrung sinkt die wahrgenommene Komplexität des Ladens, und die Stärken des elektrischen Antriebs rücken in den Vordergrund.
Wie entwickelt sich der Markt? Signale aus Versicherungs- und Zulassungsdaten
Auch jenseits von Umfragen zeigt sich Bewegung. Versicherungsdaten deuten darauf hin, dass private Halterinnen und Halter nach einer Delle wieder häufiger auf E-Autos umsteigen. Der Anteil reiner E-Fahrzeuge am privaten Bestand ist zwar noch niedrig, wächst aber spürbar. Zudem steigt die Quote der Umsteiger bei Fahrzeugwechseln – ein guter Indikator dafür, wie sich Kaufentscheidungen im Alltag verändern. Regionale Unterschiede bleiben: Während einige Bundesländer vorangehen, sind andere zurückhaltender. Das ist nicht überraschend, denn Ladeinfrastruktur, Pendlerdistanzen und Haushaltseinkommen unterscheiden sich stark.
Parallel halten sich die Neuzulassungen reiner Elektroautos in einem soliden Korridor. Entscheidend ist: Der Markt normalisiert sich und entkoppelt sich zunehmend von kurzfristigen Förderimpulsen. Nachfragetreiber sind messbare Produktvorteile (geräuscharmes Fahren, kräftige Beschleunigung), die Gesamtbetriebskosten im spezifischen Nutzungsprofil (Stromtarif, Fahrleistung, Wartung) und die wachsende Verfügbarkeit gebrauchter E-Fahrzeuge, die preislich neue Käufergruppen ansprechen.
Zwischen Bauchgefühl und Daten: Warum Erfahrung zählt
Die Diskrepanz zwischen öffentlicher Debatte und Umfragewerten hat viel mit Psychologie zu tun. Negatives bleibt länger haften, und Medien berichten naturgemäß eher über Ausfälle als über das reibungslose Funktionieren der großen Mehrheit. Wer E-Autos ausschließlich aus Schlagzeilen kennt, überschätzt tendenziell die Risiken und unterschätzt die Vorteile. Umgekehrt sollten E-Enthusiasten nicht ausblenden, dass der Alltag Grenzen setzt: Im Winter sinkt die Reichweite, Schnelllader können belegt sein, große Dachboxen oder Anhänger erhöhen den Verbrauch deutlich. Realistische Erwartungshaltung ist der beste Schutz vor Frust – und genau hier entfaltet die Probefahrt ihre Wirkung.
Konsequenzen für Hersteller, Handel und Versicherer
1) Probefahrt neu denken. Eine E-Probefahrt ist mehr als eine Runde um den Block. Idealerweise umfasst sie eine Schnelllade-Session, eine Fahrtstrecke mit Autobahnanteil, die Demonstration von Rekuperationsstufen und Assistenzsystemen sowie eine transparente Kostenrechnung (Strom vs. Kraftstoff; Wartung). Wer Kundinnen und Kunden durch diesen Prozess führt, baut Kompetenzbarrieren ab.
2) Lade-Ökosystem als Produktteil. Hersteller sollten Tarife, Apps und Routenplaner nicht als Add-ons behandeln, sondern als integralen Bestandteil. Ein gutes Onboarding reduziert Supportaufwand und steigert Zufriedenheit. Kooperationen mit Roaming-Anbietern, faire Ad-hoc-Preise und verlässliche Plug-&-Charge-Funktionen (wo verfügbar) zahlen direkt auf das Markenerlebnis ein.
3) Versicherungsprodukte schärfen. Akkudeckung klar, verständlich und sichtbar kommunizieren; Schadenprozesse für Hochvolt-Komponenten transparent machen; Werkstattnetz mit zertifizierten Hochvolt-Spezialisten ausbauen. Zusatzservices – etwa Akkuchecks vor Gebrauchtwagenkauf oder Mobilitätsgarantien – können echte Differenzierer werden.
4) Restwert- und Gebrauchtmarkt-Kommunikation. Der junge E-Gebrauchtmarkt ist in Bewegung. Wer Restwerte nicht beschönigt, sondern datenbasiert erklärt (inklusive Software-Updates, Zellgesundheit, Garantieverlängerungen), erhöht Vertrauen. Für viele Haushalte ist das gebrauchte E-Auto das Eintrittstor in die Elektromobilität.
Typische Fragen – kurz beantwortet
Wie weit komme ich wirklich? Realreichweiten hängen von Temperatur, Tempo, Topografie und Beladung ab. Wer regelmäßig lange Autobahnetappen fährt, sollte auf effiziente Modelle mit starker Schnellladeleistung achten. Für Pendlerprofile mit 30 bis 80 Kilometern pro Tag ist die Reichweite moderner E-Autos längst unkritisch.
Wie teuer ist das Laden? Das variiert: Zuhause am günstigen Tarif ist es oft am preiswertesten. Öffentliche AC-Lader eignen sich für „Park and Charge“, Schnelllader für die Langstrecke. Wichtig ist, die eigenen Routinen zu kennen – dann lässt sich der Mix optimieren.
Und die Batterie? Moderne Traktionsbatterien sind auf viele tausend Ladezyklen ausgelegt. Software-Updates, aktives Thermomanagement und Garantien stützen die Alltagstauglichkeit. Wer extrem oft schnelllädt, achtet auf ein gutes Batteriemanagement; wer lange Standzeiten hat, nutzt eine moderate Ladegrenze. Versicherungsseitig ist eine sauber definierte Akkudeckung beruhigend.
Einordnung: Zufriedenheit ist kein Selbstläufer
Die positiven Werte bedeuten nicht, dass alle Hürden gefallen wären. Der Ausbau der Schnellladepunkte muss weitergehen, gerade entlang infrastrukturschwächerer Korridore. Tariftransparenz ist Pflicht, denn nichts frustriert mehr als eine Preisüberraschung am Lader. Außerdem bleibt die Anschaffung für viele Haushalte teuer – hier sind effiziente Einstiegsmodelle und ein gesunder Gebrauchtmarkt entscheidend. Schließlich sollten Politik und Kommunen pragmatisch fördern: weniger Papierkram bei Wallboxen, mehr Niedrigvolt-Optionen für Mehrparteienhäuser, kluge Park- und Ladezeitregeln.
Alltagserfahrung
Die neue ADAC-Umfrage zeichnet ein klares Bild: Wer E-Autos fährt, ist überwiegend zufrieden – und zwar nicht als Ausdruck blinder Technikbegeisterung, sondern aus Alltagserfahrung. Probefahrten mit echtem Ladeerlebnis sind der Hebel, um Unklarheiten zu beseitigen. Versicherer punkten mit verständlicher Akkudeckung; Hersteller und Handel mit einem nahtlosen Lade-Ökosystem und ehrlicher TCO-Kommunikation. Ergänzende Studien stützen die Tendenz: Elektrofahrer gehören zu den zufriedensten Autobesitzern, und die Wechselbereitschaft hin zur E-Mobilität nimmt wieder zu. Das ist kein Selbstläufer, aber ein robuster Trend. Wer ihn ernst nimmt und die Details gut macht, wird belohnt – mit zufriedenen Fahrern, sinkenden Vorurteilen und einer Mobilität, die sich im Alltag bewähren kann.
„Nur jeder Dritte will der Automarke treu bleiben.“
Dieser Satz aus der ADAC-Analyse bringt es auf den Punkt: Der Umstieg ist für viele ein Neustart. Wer jetzt mit gutem Produkt, guter Beratung und gutem Service überzeugt, gewinnt Kundinnen und Kunden nicht nur für den Kauf – sondern für die nächsten Jahre.
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