Der Verkehrssektor ist in Deutschland für etwa 20 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich – rund 164 Mio. t im Jahr 2019, mit steigender Tendenz gegenüber dem Klimazielpfad.
Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz muss der Sektor bis 2030 mindestens um 65 % gegenüber 1990 reduziert werden, bis 2045 klimaneutral sein. Doch bereits 2023 lag der Verkehr mit 146 Mio. t CO₂ weit über dem gesetzlich vorgegebenen Maximum von 133 Mio. t.
Ziel dieses Artikels ist es, einen strukturierten Maßnahmenkatalog zu präsentieren – nach Zeiträumen gegliedert, mit Wirkpotenzialen versehen und abgestimmt auf die Ressorts des Bundesverkehrsministeriums (BMDV), der Länder und relevanter Stakeholder.
Status quo & Lückenanalyse
Aktuell gelingt es nicht, die für 2023 festgelegten Emissionsbudgets einzuhalten: statt maximal 133 Mio. t wurden 146 Mio. t ausgestoßen. Das Sofortprogramm des Verkehrsministeriums zielt lediglich auf Einsparungen von rund 14 Mio. t bis 2030 – lässt aber eine Klimalücke von etwa 261 Mio. t bestehen.
Hauptursachen:
- Die gestiegene Motorisierung und Fahrleistung kompensieren Effizienzgewinne.
- Elektromobilität wächst, bleibt aber bislang unzureichend – etwa wegen Infrastruktur-Defiziten.
- Der Güterverkehr verlagert sich kaum auf Bahn oder Binnenschifffahrt.
Politischer & rechtlicher Rahmen
Deutschland ist verpflichtet, die EU-Klimaziele umzusetzen: Reduktion um 55 % bis 2030, Klimaneutralität bis 2050. Die Ziele aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz geben klare jährliche Emissionsobergrenzen für den Verkehrssektor vor.
Das Klimaschutzprogramm 2030 beinhaltet unter anderem CO₂-abhängige Lkw-Maut, Deutschlandticket und Technologieförderung. Nach der Gesetzesnovelle von 2024 erfolgt die Emissionsbilanzierung sektorenübergreifend.
Prioritäre Maßnahmen
Kurzfristige Maßnahmen (1–2 Jahre)
Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen
Eine UBA-Studie von 2023 zeigt: Tempo 120 auf Autobahnen und Tempo 80 außerorts können bis zu 11,7 Mio. t CO₂ jährlich einsparen. Allein Tempo 120 spart rund 6,7 Mio. t. Die Deutsche Umwelthilfe und die Gewerkschaft der Polizei fordern diese Maßnahme als kosteneffizient und sofort umsetzbar.
CO₂-Bepreisung & Marktbasierte Anreize
Ein Modell namens „Energiesteuer 2.0“ ersetzt bestehende Kraftstoffsteuern durch eine CO₂-Abgabe, die den Kohlenstoffgehalt klimafreundlicher Kraftstoffe berücksichtigt. Bei 300–400 €/t CO₂ werden synthetische Kraftstoffe wettbewerbsfähig – ohne Verbote direkt umzusetzen.
Sofortmaßnahmenprogramm
Ein Expertenrat attestiert dem aktuellen Sofortprogramm Einsparziele von nur 14 Mio. t, was bei weitem nicht ausreicht – die Klimalücke bleibt bestehen.
Mittelfristige Systemreformen (3–7 Jahre)
Elektromobilität & Ladeinfrastruktur
Förderprogramme wie Social-Leasing, Subventionen für Privatkunden, sowie 20 Mio. € Landesförderung in Baden-Württemberg treiben die Ladeinfrastruktur voran. Ziel ist eine breite Verfügbarkeit für Pkw und Lkw.
Stärkung des ÖPNV
Das Deutschlandticket und Investitionen in Elektrobusse (50 % Ziel bis 2030) sind Kernelemente. Kooperationen und besseres Parkraummanagement fördern den Umstieg auf Bus und Bahn.
Modal Shift im Güterverkehr
Mehr Verkehrsverlagerung auf Bahn und Binnenschifffahrt entlastet die Straße – langfristig klimaschonend.
THG-Quote
Diese Quote belohnt Besitzer klimafreundlicher Fahrzeuge (ca. 100 €/Jahr), fördert Biokraftstoffe und E‑Fuels und wirkt auch auf den Fahrzeugbestand.
Langfristige Strukturmaßnahmen (bis 2030/2045)
Stadt- & Raumplanung
Verdichtete Planung, Förderung des Fuß- und Radverkehrs, Ausbau von Fahrradstädten – langfristige Mobilitätswende statt Autoverkehrsdominanz.
Infrastruktur-Offensive & Digitalisierung
Ausbau maroder Straßen und Schienen, 5G-Netze, intelligente Verkehrsführung, autonomes Fahren. Zitat Hildegard Müller (VDA):
„Es braucht zudem eine Digital‑Offensive: Ob autonomes Fahren… enorme Potenziale … eine flächendeckende 5G‑Versorgung …“
Forschung & Innovation
Förderung von Wasserstoff-Lkw, Carsharing‑ und Sharing-Konzepte, Logistikoptimierung und digitale Mobilitätslösungen.
Maßnahmenkatalog im Überblick
| Zeitraum | Maßnahme | Wirkungspotenzial |
|---|---|---|
| Kurzfristig | Tempolimit, CO₂-Bepreisung, Lkw-Maut | Bis zu 11,7 Mio. t CO₂ jährlich durch Tempolimit; weitere Einsparungen durch Preissignale |
| Mittelfristig | Elektromobilität, ÖPNV, THG-Quote, Modal Shift | Stetige Emissionsminderung durch saubere Antriebe und Verkehrsverlagerung |
| Langfristig | Stadtplanung, Infrastruktur, Digitalisierung, Innovation | Strukturwandel ermöglicht langfristige Erreichung der Klimaneutralität |
Stakeholder & Umsetzung
Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) ist zentraler Koordinator. Zusammenarbeit ist nötig mit dem Bundesumweltministerium, den Ländern und Kommunen.
Beispiel Baden-Württemberg: Förderung der Ladeinfrastruktur, Einführung intelligenter Parkraummanagementsysteme.
Zitat Hildegard Müller (VDA):
„Die Menschen sparen schon… ein allgemeines Tempolimit lehne ich ab … Mobilität bedeutet Teilhabe und muss bezahlbar bleiben.“
Umweltverbände wie die DUH fordern hingegen schnelle, effektive Maßnahmen wie das Tempolimit. Laut Umfragen sprechen sich über 60 % der Bevölkerung für ein generelles Tempolimit aus.
Fazit & Handlungsempfehlung
Ein Patentrezept zur Emissionsreduktion gibt es nicht. Der Verkehrssektor benötigt ein Maßnahmenbündel. Besonders klar: Ein Tempolimit ist effektiv, kosteneffizient und umsetzbar.
Sozial verträgliche Umsetzung ist zentral. Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung sollten in ÖPNV, Energiepreise und Mobilitätsangebote fließen. Ein Monitoring durch unabhängige Gremien sollte etabliert werden.
Modellregionen in Ländern wie Baden-Württemberg können als Blaupause für eine nationale Skalierung dienen.
Ausblick
Die Mobilitätswende erfordert integrierte Lösungen: Sharing, Digitalisierung, Home-Office und saubere Antriebe. Die Einbindung in europäische Programme und grenzüberschreitende Planung wird entscheidend für die Erreichung der Klimaziele sein.
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